Das Schweizer Aktienrecht wird modernisiert
Pia Rose, 36, möchte eine Aktiengesellschaft gründen. Nachdem das Schweizer Parlament die Zustimmung zur Modernisierung des Schweizer Aktienrechtes erteilt hat, treten am 1. Januar 2023 die neuen Regeln, unter anderem mit flexibleren Gründungs- und Kapitalvorschriften für Aktiengesellschaften (und GmbH), in Kraft. Folgender Beitrag befasst sich mit den einzelnen Neuerungen und zeigt diese am Beispiel von Pia Rose auf.
Aktien- und Stammkapital neu auch in Fremdwährung möglich
Sofern das einbezahlte Kapital zum Zeitpunkt der Beurkundung einen Umrechnungswert von mindestens CHF 100‘000 aufweist, darf dieses künftig auch in einer fremdländischen Währung erfolgen. Überdies wird der Mindestnennwert einer Aktie von bisher CHF 0.01 aufgehoben. Inskünftig muss dieser Wert lediglich grösser als Null sein.
Frau Rose als deutsche Staatsangehörige will das Aktienkapital in Euro einzahlen, was ab Januar 2023 auch möglich ist, sofern der Umrechnungswert den Mindestbetrag des Aktienkapitals von CHF 100‘000.00 beträgt.
Mehr Flexibilität: das Kapitalband
Eine zentrale Neuerung der Revision stellt das sogenannte Kapitalband dar, welches zur Ausgestaltung einer flexibleren Kapitalstruktur von AG und GmbH dient. Konkret erlaubt es dem Verwaltungsrat eines Unternehmens die Kapitalerhöhung oder -herabsetzung – innerhalb einer festgelegten Bandbreite – in beliebiger Höhe während einer Maximaldauer von fünf Jahren. Allfällige Einschränkungen, Auflagen sowie Bedingungen hierzu können von der Generalversammlung beschlossen werden.
Angenommen Frau Rose ist Verwaltungsrätin und strebt zwei Jahre nach Gründung eine Kapitalerhöhung an: Mit dem Kapitalband besteht die Möglichkeit, innerhalb von fünf Jahren eine Kapitalerhöhung zu vollziehen, wodurch das Beschaffen von Eigenkapital und das Anbieten von neuen Aktien vereinfacht wird.
Die Generalversammlung in Zeiten der Digitalisierung
Um dem Fortschritt digitaler Technologien Rechnung zu tragen, sieht die Revision neu die Möglichkeit von virtuellen Generalversammlungen vor. Sofern die Voten sämtlicher Teilnehmer in Bild und Ton übertragen werden können, ist die Durchführung der Generalversammlung also nicht länger an einen bestimmten physischen Tagungsort gebunden. Solange keinem Aktionär Nachteile in der Ausübung seiner Rechte entstehen, kann die Generalversammlung sogar im Ausland abgehalten werden.
Frau Rose ist wohnhaft in Berlin, sie hält 95% der Aktien, ein Bekannter von ihr lebt in Zürich und ist mit 5% Minderheitsaktionär. Gemäss den neuen Bestimmungen des Aktienrechts muss Pia Rose für die Generalversammlung nicht in die Schweiz reisen, denn diese kann auch digital durchgeführt werden.
Minderheitenrechte und Geschlechterquoten
Durch die Senkung des Schwellenwertes für die Einberufung einer ausserordentlichen Generalversammlung auf neu 5% des Aktienkapitals bzw. der Stimmen werden die Aktionärsrechte von Minderheitsaktionären bei börsenkotierten Gesellschaften gestärkt.
Ebenso betrifft dies das Traktandierungs- und Antragsrecht sowie das Auskunfts- und Einsichtsrecht. Durch die Revision wird neu auch eine Geschlechterquote für Verwaltungsräte und Geschäftsleitungen von börsenkotierten Gesellschaften geschaffen; demnach besteht ein Richtwert für jedes Geschlecht von mindestens 30% im Verwaltungsrat, beziehungsweise von 20% in der Geschäftsleitung. Bei Nichterreichung dieser Quote müssen im Vergütungsbericht die Gründe dafür genannt und entsprechende Massnahmen getroffen werden.
Der Minderheitsaktionär mit 5% der Aktien in diesem Beispiel kann auch ohne Frau Rose eine ausserordentliche GV einberufen, wobei er Anträge stellen kann und ein Auskunfts- und Einsichtsrecht besitzt.
„Lex Minder“ auf Gesetzesstufe verankert
Aufgrund der Regelung der Bestimmungen zu den übermässigen Vergütungen auf Gesetzesstufe hebt der Bundesrat zum Schluss die Verordnung (VegüV) gegen ebendiese per 1. Januar 2023 vollständig auf.
Zusammenfassend:
- Aktien- und Stammkapital auch in Fremdwährung möglich
- Kapitalband erlaubt Kapitalerhöhung und -herabsetzung
- Digitale GV möglich
- Schwellenwert 5% für Einberufung ausserordentliche GV
- VegüV wird aufgehoben