Bundesgerichtsurteil über die DNA-Analyse und erkennungsdienstliche Erfassung
Das Bundesgericht befasste sich im Urteil BGE 107 II 465 vom 19. Mai 2022 mit der DNA-Analyse und der erkennungsdienstlichen Erfassung, die gemäss Art. 255 ff. StPO bzw. Art. 260 ff. StPO Zwangsmassnahmen darstellen. Der Blog-Beitrag erläutert die gesetzlichen Grundlagen sowie die Hintergründe des betreffenden Urteils genauer.
Sachverhalt
Nachdem bei der Staatsanwaltschaft Basel-Stadt mehrere Strafuntersuchungen gegen den Beschuldigten betreffend Straftaten bei Kundgebungen hängig waren, erfasste man den Beschuldigten im Rahmen einer Einvernahme erkennungsdienstlich, wobei ein Wangenschleimhautabstrich (WSA) erhoben und eine DNA-Analyse verfügt wurde. Gegen dieses Vorgehen erhob der Beschuldigte zunächst Beschwerde vor dem Appellationsgericht Basel-Stadt, bevor er sich nach deren Beschwerdeabweisung an das Bundesgericht wandte.
Die erkennungsdienstliche Erfassung nach Art. 260 StPO
Bei der erkennungsdienstlichen Erfassung gemäss Art. 260 StPO werden Körpermerkmale einer Person festgestellt und Abdrücke von Körperteilen genommen. Diese Zweckmassnahme hat zum Ziel einen Sachverhalt zu eruieren und insbesondere die Identität einer Person festzustellen. Das Vorgehen nach Art. 260 StPO kann das Recht auf persönliche Freiheit bzw. körperliche Integrität sowie auf informationelle Selbstbestimmung berühren und muss daher neben der gesetzlichen Grundlage zwingend durch ein öffentliches Interesse gerechtfertigt und verhältnismässig sein. Nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung ist die erkennungsdienstliche Erfassung auch zulässig, wenn damit nicht Straftaten im hängigen Strafverfahren bewiesen werden. Dieses Vorgehen bedarf jedoch der Berücksichtigung von Vorstrafen sowie eines Verdachts auf zukünftige Delikte. Gleiches gilt für die DNA-Analyse nach Art. 255 StPO.
Erwägungen des Bundesgerichts
Insbesondere die beiden hängigen Strafverfahren zu Kundgebungen im Jahr 2019 (Störung des öffentlichen Verkehrs) und im Jahr 2020 (u.a. Landfriedensbruch, Störung einer Amtshandlung) sind Bestandteil der Erwägungen der Vorinstanz sowie des Bundesgerichts. Da der Beschwerdeführer bei den unbewilligten und teils auch gewalttätigen Demonstrationen nicht nur als Mitläufer, sondern als organisierende Person mitwirkte, bejaht das Bundesgericht das Bestehen von Anhaltspunkten, sodass künftige Delikte von dieser Schwere wahrscheinlich sind. Somit waren die erkennungsdienstliche Erfassung von Fingerabdrücken und eine Verfügung betreffend DNA-Analyse gerechtfertigt.
Entscheid
Die Beschwerde wurde durch das Bundesgericht abgewiesen. Hätte es sich beim Beschwerdeführer nicht um eine organisierende Person gehandelt und wären die Demonstrationen nicht gewalttätig gewesen, dann hätte die erkennungsdienstliche Erfassung durch Fotos zur Bestimmung der Identität möglicherweise ausgereicht, womit weitere DNA-Analysen nicht nötig wären.